Lieferkettengesetz soll für mehr Transparenz sorgen

Ob Kaffee, kakaohaltige Schokolade oder Knabberzeug mit Palmöl – viele Produkte, die an der Concession-Theke im Kino oder im Lebensmittelhandel angeboten werden, enthalten Rohstoffe, mit deren Anbau Umweltzerstörung, Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen in den Herkunftsländern einhergehen. Anlässlich des Welternährungstags lud die Europäische Kommission zur Farm to Fork-Konferenz. Zu den Zielsetzungen dieser Veranstaltung gehörte es, im Zuge des Europäischen Green Deals Strategien für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem zu entwickeln.

 

In Deutschland ist die Lebensmittelindustrie nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu 37 Prozent von importierten Vorleistungen abhängig. Noch höher ist der Anteil der ausländischen Wertschöpfung mit 63 Prozent in der Textilindustrie, mit 45 Prozent in der Elektronik-Branche sowie mit 39 Prozent in der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Globale Wertschöpfungsketten prägen 80 Prozent des Welthandel und bilden die Existenzgrundlage für über 450 Millionen Menschen. Als große Industrienation ist Deutschland intensiv in internationale Lieferketten eingebunden. Mehr als 775.000 deutsche Unternehmen erwirtschaften mit ihren Importleistungen 1,09 Billionen Euro Umsatz.

Mit der Produktion von Kaffee aus Brasilien, Pflastersteinen aus Indien sowie dem Abbau von Kobalt und Coltan im Kongo für Handy- und Autobatterien sind hohe Belastungen für Mensch und Umwelt in den Entwicklungs- und Schwellenländern verbunden. Illegale Chemikalien verseuchen Flüsse, Flächen werden enteignet und Menschen in Textilfabriken und in Minen, auf Baumwollfeldern, Bananen- und Kakaoplantagen ausgebeutet.

 

Diese Externalisierung verursacht zudem Schäden, die den Klimawandel vorantreiben. Die Vereinten Nationen haben 2011 Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet, die durch staatliche Schutzpflicht eine unternehmerische Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte in globalen Lieferketten definieren. In den Leitlinien ist jedoch nicht festgeschrieben, ob die Verantwortung freiwillig oder verbindlich übernommen werden muss.

Die deutsche Bundesregierung hat mit dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien (NAP) 2016 zunächst auf ein freiwilliges Engagement der Unternehmen gesetzt. Die im Rahmen des NAP-Monitorings 2019 und 2020 vorgenommenen Unternehmensbefragungen haben ergeben, dass nur rund ein Fünftel der Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen. Da im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vereinbart worden ist, dass eine gesetzliche Regelung auf den Weg gebracht werden soll, wenn die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, haben das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Vorschläge für ein Lieferkettengesetz erarbeitet.

 

Das Lieferkettengesetz soll Unternehmen verpflichten oder in Haftung nehmen, Vorleistungsgüter oder Fertigerzeugnisse aus dem Ausland in allen Phasen ihrer Lieferkette auf umweltschädigende oder gegen Arbeitsbedingungen verstoßende Produktionsverfahren zurückzuverfolgen. Dies soll nicht nur für die größten Unternehmen in in Risikobranchen gelten. Um eine effektive Durchsetzung sicherzustellen, ist die Bundesregierung gefordert, für eine behördliche Überwachung und den Ausschluss von öffentlicher Beschaffung sowie staatlicher Außenwirtschaftsförderung zu sorgen und die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen verankern.

Das Lieferkettengesetz soll Unternehmen verpflichten oder in Haftung nehmen, Vorleistungsgüter oder Fertigerzeugnisse aus dem Ausland in allen Phasen ihrer Lieferkette auf umweltschädigende oder gegen Arbeitsbedingungen verstoßende Produktionsverfahren zurückzuverfolgen.

Ursprünglich hatten das BMZ und das BMAS bereits im März 2020 geplant, ihre gemeinsamen Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz vorzulegen, doch der Termin wurde verschoben. Daraufhin sollte der Entwurf zum Lieferkettengesetz im August bzw. im September 2020 dem Bundeskabinett vorgelegt werden, was aufgrund der Differenzen zwischen den zuständigen Ressorts gescheitert ist. Das Bundeswirtschaftsministerium will, dass das Lieferkettengesetz nur für Unternehmen ab 5.000 Beschäftigten gilt, da es kleinen und mittleren deutschen Unternehmen nicht möglich sei, hohe Umweltstandards und die Einhaltung von Menschenrechten in tieferen Lieferketten im Ausland durchzusetzen.

Das Gesetz muss für möglichst viele Unternehmen gelten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, argumentieren die Expert*nnen vom Öko-Institut. Sofern das Lieferkettengesetz nur für Unternehmen mit mindestens 5.000 Beschäftigten gelte, wären noch nicht einmal 200 Unternehmen in Deutschland davon betroffen. Bei dieser Regelung würden selbst einige Unternehmen, die selbst ein Lieferkettengesetz fordern, durch das Raster fallen. Ein weiterer Streitpunkt ist, Umweltschutz im geplanten Lieferkettengesetz umzusetzen. Dies würde bedeuten, dass das Gesetz den Schutz von Umweltgütern und die Einhaltung von Umweltrecht in der Lieferkette explizit einbeziehen muss. In diesem Zusammenhang wird darüber diskutiert, ob Unternehmen für Umweltschäden im Ausland haften sollten.

 

Das Lieferkettengesetz sieht nur eine Haftung vor, sofern die Schäden auf unzureichende Sorgfaltsmaßnahmen der Unternehmen zurückzuführen sind und somit vorhersehbar und vermeidbar gewesen wären. Deutsche Unternehmen sollen jedoch nicht für Missstände belangt werden können, die Dritte zu verschulden haben und auf die sie keinerlei Einfluss haben. In Frankreich, Großbritannien und den USA ist die Verantwortung in Lieferketten gesetzlich geregelt. In den Niederlanden wird ein entsprechendes Gesetz vorbereitet. Von deutscher Seite wird angestrebt, eine EU-weite Regelung für eine verantwortungsvolle Gestaltung von Liefer- und Wertschöpfungsketten zu schaffen.