Studie zu Kosten und Umsetzung der Energiewende

Die Umstellung des deutschen Energiesystems zur Erreichung der Klimaschutzziele bis zum Jahr 2050 ist aus technischer und systemischer Sicht machbar. Zu diesem Ergebnis kommen die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in der Studie Wege zu einem klimaneutralem Energiesystem, in der die deutsche Energiewende im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen untersucht worden ist.

 

Ein maßgeblicher Faktor für die Umsetzung der Energiewende und die Kosten des Systemumbaus ist das gesellschaftliche Verhalten. Die Wissenschaftler haben in vier verschiedenen Szenarien berechnet, wie sich die Umsetzung der Energiewende gestalten könnte. Das Szenario Beharrung geht von starken Widerständen gegen den Einsatz neuer Techniken im Privatbereich aus, das Szenario Inakzeptanz setzt einen starken Widerstand gegen den Ausbau großer Infrastrukturen voraus, während das Szenario Suffizienz annimmt, dass der Energieverbrauch durch gesellschaftliche Verhaltensänderungen deutlich gesenkt wird. Die vierte Variante bildet das Szenario Referenz, bei dem die Zielerreichung weder gefördert noch erschwert wird.

 

„Die stundenscharfe Betrachtung für die nächsten 30 Jahre zeigt, dass trotz eines sehr hohen Anteils fluktuierender erneuerbarer Energien für die Strombereitstellung in jeder Stunde und in allen Verbrauchssektoren eine sichere Versorgung erreicht werden kann”, erklärt Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Institutsleiter des Fraunhofer ISE, der zu den Autoren der Studie gehört. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellte Strom künftig zur wichtigsten Primärenergie wird. Zugleich ist mit einem stark steigenden Strombedarf um das zwei- bis zweieinhalbfache des heutigen Wertes zu rechnen. Um diesen zu decken, muss die installierte Leistung von Wind- und Photovoltaikanlagen um das Vier- bis Siebenfache ansteigen.

 

Der Aufwand und die Kosten zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele hängen maßgeblich von den Rahmenbedingungen ab, die vom Verhalten der Gesellschaft geprägt werden. Bei einem sparsameren Umgang mit Energie ist die notwendige Anzahl an Anlagen zur Wandlung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Energie wesentlich niedriger als bei der weiteren Nutzung von Verbrennungstechniken für Wärmeversorgung und Mobilität. Der Widerstand gegen Windenergieanlagen und Netzausbau lässt sich teilweise durch einen stärkeren Zuwachs an PV-Anlagen und einer größeren Kapazität an Batteriespeichern kompensieren.

 

Den Berechnungen zufolge liegen die Nettomehraufwendungen der untersuchten Szenarien über die nächsten dreißig Jahre zwischen 440 Mrd. Euro (beim Szenario Suffizienz) und 2.330 Mrd. Euro (beim Szenario Beharrung). Dies entspricht einer Größenordnung von 0,4 Prozent bis zu rund zwei Prozent von Deutschlands Bruttoinlandsprodukt 2019. Da der Großteil der Mehraufwendungen auf Investitionen entfällt, werden die Kosten nach Abschluss des Systemumbaus im Jahr 2050 erheblich sinken.

 

Die Voraussetzung für ein kostengünstiges Erreichen der Klimaschutzziele ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Markteinführung sämtlicher Technologien zur Wandlung, Speicherung, Verteilung, Nutzung und zur Systemintegration erneuerbarer Energien. „Trotz der Berücksichtigung der Importmöglichkeit erneuerbaren Stroms und erneuerbar hergestellter stofflicher Energieträger in unseren Untersuchungen erweist sich auch der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur sowie die Nutzung von thermischen und elektrischen Speichern in Deutschland im Kontext der Entwicklung des Gesamtsystems als sinnvoll“, resümiert der Studienautor Dr. Christoph Kost, Gruppenleiter Energiesysteme und Energiewirtschaft am Fraunhofer ISE.